
Die Proteste im Iran finden offenbar auch an Schulen statt. Von der kurdischen Menschenrechtsgruppe Hengaw veröffentlichte Videoaufnahmen zeigten Schülerinnen, die in zwei Städten in der iranischen Provinz Kurdistan protestierten. Im Zentrum von Mariwan riefen sie demnach „Frauen, Leben, Freiheit“. Das Video konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden. In der Nacht zum Montag war es an der Teheraner Scharif-Universität zu heftigen Zusammenstößen gekommen. Die Polizei ging dort mit Tränengas und Paintball-Pistolen gegen rund 200 Protestierende vor.
Die Studierenden hatten sich auf dem Gelände der renommierten Universität in der iranischen Hauptstadt versammelt und mit Sprüchen wie „Frau, Leben, Freiheit“ und „Studenten ziehen den Tod der Demütigung vor“ gegen das religiöse System des islamischen Landes protestiert, wie die iranische Nachrichtenagentur Mehr berichtete.
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Daraufhin sei die Polizei eingeschritten. Zur Beruhigung der Lage sei der Wissenschaftsminister zur Universität gekommen, um mit den Studenten zu sprechen. Wegen der „jüngsten Ereignisse“ und zum Schutz der Studenten habe die Universität veranlasst, dass die Kurse ab Montag virtuell stattfinden sollen, hieß es weiter. Auch an der Universität von Isfahan im Zentrum des Landes kam es zu Zwischenfällen.
USA kündigen weitere Sanktionen an
Als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen gegen friedliche Demonstrierende kündigten die USA weitere Sanktionen gegen Teheran an. Die USA würden „weiterhin iranische Beamte zur Rechenschaft ziehen und die Rechte der Iraner auf freie Proteste unterstützen“, erklärte US-Präsident Joe Biden. Nähere Angaben zu den geplanten Maßnahmen machte er nicht.
Im Streit um das iranische Atomprogramm haben die USA bereits massive Wirtschaftssanktionen gegen Teheran verhängt. Biden zeigte sich „zutiefst besorgt“ angesichts der Berichte über das „immer brutalere Vorgehen gegen Demonstranten im Iran, darunter Studenten und Frauen“. Die USA stünden an der Seite der iranischen Frauen und aller iranischen Bürger, deren Mut „eine Inspiration für die Welt“ sei, versicherte Biden.
Irans Außenamtssprecher Nasser Kanani warf den USA „Heuchelei“ vor. „Es wäre besser für Biden gewesen, er hätte etwas über die Menschenrechtslage im eigenen Land nachgedacht, bevor er humanitäre Gesten macht, auch wenn Heuchelei nicht durchdacht sein muss“, erklärte Kanani auf Instagram, wie iranische Medien berichteten. Die vielen bereits „gegen die iranische Bevölkerung“ verhängten US-Sanktionen seien „Beispiel für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, fügte Kanani hinzu.
Die Proteste im Iran waren durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgelöst worden. Die junge Kurdin wurde am 13. September in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen, offenbar weil sie das islamische Kopftuch nicht den Regeln entsprechend trug. Amini brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt. Bei den Protesten wurden nach Angaben der in Oslo ansässigen Organisation Iran Human Rights (IHR) bisher mindestens 92 Menschen getötet. Mehr als tausend Menschen wurden festgenommen.
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Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, machte die USA und Israel für die seit fast drei Wochen andauernden Proteste verantwortlich. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre unterstrich derweil die Wichtigkeit der Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran von 2015. Dieses Abkommen sei „unserer Meinung nach der beste Weg, um das Atomproblem anzugehen“, solange Washington der Ansicht sei, die Fortsetzung der Gespräche liege „im Interesse der nationalen Sicherheit der USA“, betonte sie.
Das Atomabkommen mit dem Iran war 2015 unter dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama unter Beteiligung von China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgehandelt worden. Es sollte verhindern, dass Teheran Atomwaffen entwickelt. Der sogenannte Gemeinsame Umfassende Aktionsplan (JCPoA) sieht vor, dass der Iran seine Nuklearaktivitäten begrenzt und im Gegenzug von einer Lockerung der internationalen Sanktionen profitiert.
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Unter Obamas Nachfolger Donald Trump stiegen die USA 2018 aber einseitig aus dem Abkommen wieder aus. Daraufhin hielt sich auch der Iran schrittweise nicht mehr an seine Verpflichtungen. Die seit Monaten laufenden Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Abkommens waren zuletzt in eine Sackgasse geraten. (AFP)
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