Rechtsfrieden braucht Klarheit

Weil er einen jüdischen Studenten schwer verletzt hat, ist ein 29-jähriger Deutsch-Kasache vom Landgericht Hamburg wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das Gericht sah es aber als erwiesen an, dass der Täter wegen einer schweren Erkrankung nicht schuldfähig ist. Der Mann, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet, wurde deshalb dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen.

Vorausgegangen war ein Angriff des Täters am 4. Oktober 2020. Während des Laubhüttenfestes Sukkot, setzte sich in Hamburg ein Angreifer ins Taxi und ließ sich zur einzigen Hamburger Synagoge fahren. Dort erkundigte er sich, ob das Gebäude vor ihm auch wirklich die Synagoge sei. Anschließend schlug er mit einem Spaten auf den Kopf des ersten Juden ein, den er anhand der Kippa als solchen erkennen konnte.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg bewertete den Angriff in ihrer Anklage als versuchten Mord, da die Tat heimtückisch sei. Befremdlich ist die Äußerung der Staatsanwaltschaft, es gebe keine Hinweise auf ein politisches oder antisemitisches Motiv und auch keine niederen Beweggründe.

Dem schloss sich die Grosse Strafkammer in ihrem Urteil an:

“Es handelt sich bei der Tat um einen gezielten Angriff auf eine Person jüdischen Glaubens”, erklärte die Vorsitzende der Strafkammer bei der Urteilsverkündung. Der Beschuldigte leide an einem religiösen Wahn, der sich gegen das Judentum richte. Die Tat könne als antisemitisch bezeichnet werden.

Allerdings habe der Täter keiner radikalen Bewegung angehört. Auslöser für seine Handlung seien allein seine religiösen Wahnvorstellungen gewesen, die sich vor allem gegen Vertreter des Judentums gerichtet hätten. Es handele sich um einen “psychisch kranken Einzeltäter”. Woher genau die feindselige Einstellung Juden gegenüber komme, habe das Gericht nicht herausfinden können.

Auch den Zettel mit einem aufgemalten Hakenkreuz, den Ermittler kurz nach der Festnahme des Täters in seiner Hosentasche gefunden hatten, wertete die Große Strafkammer des Gerichts nicht als Hinweis auf einen rechtsradikalen Hintergrund. Er habe ihn auf Anraten seiner Mutter zum Schutz gegen seine Wahnvorstellungen bei sich getragen, so die Richterin. Bei dem Hakenkreuz handele es sich laut der Mutter um ein Sonnensymbol.

Keine Äußerung des Angeklagten

Die vorausgegangene dreitägige Verhandlung hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Lediglich eine Vertreterin der Jüdischen Gemeinde Hamburg durfte als Beobachterin dabei sein. Der Prozess war zum größten Teil in Abwesenheit des Täters geführt worden – mit Verweis auf dessen Gesundheitszustand.

Der Verurteilte habe keine Einsicht gezeigt, sich weder von Sachverständigen untersuchen lassen noch eine Medikation akzeptiert, teilte das Gericht mit. Es sei anzunehmen, dass die Krankheit länger andauern werde. Weitere wahnhaft veranlasste Handlungen seien zu erwarten, der Mann stelle somit eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.

Eine dauerhafte Unterbringung in einer Psychiatrie erfolgt unbefristet. Es wird allerdings jedes Jahr überprüft, ob von dem Verurteilten weiter eine Gefahr ausgeht.

Kommentar

Juden sind es, die sich wegen solcher Taten hinter massiven Sicherheitsmaßnahmen und Zäunen verschanzen müssen. Die sich gut überlegen müssen, ob ihre Kinder auf der Straße als Juden erkennbar sein sollen. Sie sind es, die selbst inmitten bewaffneter Polizisten solchen Angriffen ausgesetzt sind – und trotzdem weitermachen, ihre Gemeinden aufbauen, auf ihre Stadt, ihr Land und auch ihre Justiz vertrauen. Das fällt ihnen zunehmend schwer.

Auffällig ist, dass deutsche Staatsanwaltschaften und deutsche Gerichte in Fällen von Gewalttätern mit islamischen Hintergrund oder auch islamischen “Wurzeln” immer wieder zu dem Schluss kommen, es handele sich um “psychisch kranke Einzeltäter” deren Tat nicht politisch, judenfeindlich oder christenfeindlich motiviert gewesen sei.

Und auch in diesem Fall stellt sich erneut die Frage, wie den Staatsanwaltschaft und Gericht letztendlich zu dem Schluss gekommen sind. Bestätigt doch das Hamburger Gericht selbst, dass der jetzt Verurteilte keine Einsicht gezeigt, sich weder von Sachverständigen untersuchen lassen noch eine Medikation akzeptiert hat.

Man kann isch des Gefühl nicht erwehren, dass hier erneut der Tathintergrund nicht umfassend aufgeklärt wurde. Sonderbarerweise ist uns noch niemals ein Rechtsradikaler Täter untergekommen, bei denen Staatsanwaltschaften und Gericht ebenfalls zu dem Schluss gekommen wären “psychisch kranker Einzeltäter” .

Befriedigen kann diese Urteil, dass es theoretisch dem Täter ermöglicht frühzeitig wieder in die Freiheit zu gelangen, nicht.

 

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