Ungeimpfte können in ihren Grundrechten eingeschränkt werden

Ungeimpfte können in ihren Grundrechten eingeschränkt werden, so Hans-Jürgen Papier Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts und einer der wichtigsten Staatsrechtler Deutschlands. Er erklärt er, warum Corona-Einschränkungen für Geimpfte nicht mehr vertretbar sind – es aus seiner Sicht aber gute Gründe gebe, Ungeimpfte vom öffentlichen Leben teilweise auszuschließen.

„Freiheitsbeschränkungen sind gegenüber geimpften und genesenen Personen regelmäßig nicht mehr zulässig. Denn sie sind zur Verhinderung der Verbreitung der Covid-19-Erkrankung nicht mehr notwendig. Bei der Aufhebung oder Lockerung staatlicher Beschränkungsmaßnahmen für diese Personen geht es um die rechtlich gebotene Herstellung des verfassungsrechtlichen Normalzustands“, so Papier.

„Der Staat ist nicht verpflichtet, negativ getestete Personen den geimpften gleich zustellen“

Heißt: Pauschale Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren oder gar ein Lockdown dürfe es für Geimpfte zu Genesene nicht mehr geben. „Sie stehen jedenfalls nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen für den Infektionsschutz“, so der Verfassungsrechtler weiter.

Ungeimpfte können in ihren Grundrechten eingeschränkt werden

Eingriffe in die Grundrechte Ugeimpfter dagegen halte er nicht zwingend für verfassungswidrig: „Der Staat ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, die nicht Geimpften, aber negativ getesteten Personen in jedem Fall den geimpften und genesenen Personen gleichzustellen. Er kann unter bestimmten Voraussetzungen eine sogenannte 2G-Lösung bei der Nutzung von öffentlichen Einrichtungen oder dem Besuch von Veranstaltungen verbindlich vorschreiben“. Das heißt: Auch wenn die Bundesregierung bislang bei öffentlichen Schulen, Museen, Theatern, Sporthallen oder Veranstaltungen auf die 3G-Regel (Zutritt für Genesene, Geimpfte und negativ Getestete) setze, könne der Staat prinzipiell ungeimpfte Personen ausschließen davon – also eine 2G-Regel vorschreiben.

Denn „nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand bietet jedenfalls der sogenannte Antigen-Test keine wirkliche Genauigkeit“, so Papiers Begründung. Weiter: „Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass in jedem Fall eine exakte Anwendung dieses Tests erfolgte, sodass auch aus diesem Grunde eine zuverlässige Genauigkeit im Hinblick auf eine mögliche Infektion fehlt.“ Verfassungsrechtlich sei der Staat zudem „nicht verpflichtet, die Kosten der Tests einschränkungslos zu übernehmen. Eine Ausnahme besteht, wenn Personen ohne negativen Test keinen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen der existenznotwendigen Daseinsvorsorge erhalten oder sich nicht impfen lassen können.“

Doch diese Eingriffe könnten rechtlich nicht mit dem Schutz der Ungeimpften selbst begründet werden: „Der Staat darf sich nicht als fürsorgender Vormund gerieren.“ Rechtlich vertretbar seien Eingriffe nur dann, wenn durch die Ungeimpften eine Gefahr für „das allgemeine Wohl“ ausgehe, so Papier weiter. Die Höhe der Sieben-Tage-Inzidenz – also die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle innerhalb von sieben Tagen umgerechnet auf 100.000 Einwohner – alleine tauge jedoch nicht als Kennzahl, um diese Eingriffe zu begründen.

Die „Funktionsfähigkeit“ beziehungsweise die „Gefahr des Kollabierens des Gesundheitssystems“ hingegen beträfen durchaus das Allgemeinwohl und könnte „rechtfertigen, dass Personen, die sich aus freien Stücken gegen eine Impfung entscheiden, Grundrechtsbeschränkungen nach wie vor auferlegt werden“, erklärt der Jurist. Doch diese Gefahr müsse laufend neu bewertet werden: „Hier geht es um Abwägungsfragen, die gemäß der aktuellen Gefahrenlage unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entschieden werden müssen.“ Im Klartext: Der Staat kann Ungeimpfte ausschließen, muss das aber immer wieder auf die Verhältnismäßigkeit hin überprüfen.

Vorheriger ArtikelTrotz doppelter Impfung stirbt ehemaliger “Großstadtrevier”-Star an Corona
Nächster ArtikelE-Autos haben (k)eine Zukunft