Die Ampelregierung will Deutschlands Chinapolitik neu ausrichten – das Auswärtige Amt hat einen ersten Entwurf vorgelegt. Nachdem der SPIEGEL exklusiv über das bislang vertrauliche Papier (»Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch«) berichtet hatte, reagiert nun die Regierung in Peking.Warum leakt DER SPIEGEL die neue China Strategie? Die Frage ist aber auch wer hat ein Interesse daran, diese Verschlusssache zu leaken?
Wird im Bundeswirtschaftsministerium wegen Geheimnisverrats ermittelt?
Man kann sich hier des Gefühls nicht erwehren, dass hinter diesem Leak die Interessenvertreter der Deutschen Industrie stecken, die von weder die bisherigen grosszügigen Garantien für ihre Investitionen inChina missen wollen. Zudem sehen sie ihre Pfründe in China in Gefahr. Wer hat also denjenigen, diejenige angestiftet, diese vertrauliche Papier zu leaken. Hier darf man ganz klar von Geheimnisverrat reden. Also, wo bleiben die Ermittlungen des Verfassungsschutzes? Eine Auskunft zu Ermittlungen imBundes Wirtschaftsministerium wegen dieses Falls von Geheimnisverrats war weder von dort noch vom Verfassungsschutz zu bekommen.
Industrieverbände wollen ihre China Interessen schützen
In einer Stellungnahme des Außenministeriums hieß es auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa, die Einstufung Chinas als »Wettbewerber« und »systemischer Rivale« sei ein »Erbe des Denkens aus dem Kalten Krieg«. Die chinesische Regierung lehne auch die »Verunglimpfung Chinas durch die deutsche Seite« mit sogenannten Menschenrechtsfragen sowie »Lügen und Gerüchten« ab.

In dem 59-seitigen Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, heißt es, dass die Einhaltung der Menschenrechte maßgeblich bei der künftigen Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen sein soll. »Wirtschaftliche Entwicklung und Menschenrechte stehen nicht im Widerspruch zueinander«, heißt es im Entwurf des Außenministeriums, der nun zur Abstimmung an die anderen mit außen- und sicherheitspolitischen Fragen befassten Ressorts geht.
Der Entwurf sieht vor, Investitionsgarantien künftig bei drei Milliarden Euro »pro Unternehmen pro Land« zu deckeln. Investitionsgarantien sollen zudem einer »vertieften Prüfung« unterzogen werden – von Umweltkriterien bis hin zu Sozialstandards »wie die Vermeidung von Zwangsarbeit in Lieferketten«. Zudem soll – ähnlich wie mit Russland – Deutschlands Abhängigkeit von China »zügig und mit für die deutsche Volkswirtschaft vertretbaren Kosten« verringert werden.
Die neue Bundesregierung sieht mehrheitlich China sehr kritisch
Der Entwurf zeichnet ein äußerst kritisches Bild der kommunistischen Regierung in Peking. So ist von »massiven Menschenrechtsverletzungen« in der Uigurenprovinz Xinjiang und in Tibet die Rede. Auch »die Lage in Hongkong« wird problematisiert, ebenso Chinas militärische Drohgebärden gegen Taiwan (mehr über den Entwurf lesen Sie hier).
Warnung vor chinesischen Investitionen in Häfen
Auch scharfe Sanktionen schließt das Papier nicht aus. »Wir sind im EU-Rahmen auch bereit, Importstopps aus Regionen mit besonders massiven Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen, wenn Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen mit anderen Mitteln nicht sichergestellt werden können«, heißt es in dem Entwurf. Bei der Ratifizierung des bereits ausgehandelten Investitionsabkommens zwischen der EU und China soll berücksichtigt werden, »welche Auswirkungen das Abkommen auf die Menschenrechtssituation, insbesondere mit Bezug zu Zwangsarbeit, aber auch gegenseitige Abhängigkeiten haben wird«.
Das Auswärtige Amt warnt in dem Papier auch vor weltweiten chinesischen Investitionen in Häfen – ein Thema, das zuletzt für Streit mit dem Kanzleramt gesorgt hatte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich über Bedenken der Fachressorts hinweggesetzt, das sich gegen eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem Containerterminal im Hamburger Hafen ausgesprochen hatten. »Investitionen in Häfen eröffnen China langfristig militärische Nutzungsoptionen«, heißt es in dem Papier.
Es wird erwartet, dass das zwischen den Ministerien abgestimmte Papier erst im kommenden Jahr fertig wird. Ohnehin soll zuerst die europäische Sicherheitsstrategie vorgelegt werden, dann die deutsche Chinastrategie.
Die jetzige Regierung, besonders Die Grünen Regierungspartner mit der Aussenministerin und dem Wirtschaftsminister in Front, zeigen hier endlich einmal, dass es einer Änderung der bisherigen Unterwürfigkeitspolitik Deutschlands gegenüber China dringend bedarf. Hoffen wir, dass Olf Scholz sich nicht auch hier wieder als treuer Diener Chinas erweist und diese Neuausrichtung noch verhindert.
Welche Interessen vertritt der Spiegel?
Warum Der Spiegel diesen Leak durch seine Veröffentlichung gefördert hat, ist eigentlich unverständlich. Früher stand Der Spiegel China stets sehr kritisch gegenüber. Aber stetig sinkende Auflagenzahlen könnten auch beim SPIEGEL zu neuen wirtschaftlichen Abhängigkeiten geführt haben.